Auf ein Bier
von Philipp Mosetter
Ich habe ihr einen Zettel hingelegt. Bin bei Klaus steht drauf. Ich will nicht, dass sie auf mich wartet. Das wäre mir unangenehm. Mit Warten, dieser ungeliebten Tochter der Zeit, kann man sich ja ganz schön dieselbe verderben. Sie wartet natürlich trotzdem,...
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Auf ein Bier
von Philipp Mosetter
Ich habe ihr einen Zettel hingelegt. Bin bei Klaus steht drauf. Ich will nicht, dass sie auf mich wartet. Das wäre mir unangenehm. Mit Warten, dieser ungeliebten Tochter der Zeit, kann man sich ja ganz schön dieselbe verderben. Sie wartet natürlich trotzdem, also trotz meines Zettels, den ich ihr ja deshalb hinterlassen habe, damit sie nicht warten muss, weil sie ja weiß, wo ich bin und sie ebenso weiß, dass ich da für gewöhnlich nicht länger als ein oder zwei Bierchen bin.
Ich merke es am zweiten Bier. Schon beim ersten Schluck schmeckt das zweite Bier anders. Es schmeckt nicht mehr so schön gesellig, sondern eher, wie soll ich sagen, ungeduldig. Ich probiere noch einen Schluck, tatsächlich. Ich kann ihr Warten tatsächlich am Geschmack meines Bieres erkennen. Zunächst zweifelt man bei solchen, nahezu übersinnlichen Wahrnehmungen ja an sich selbst. Also probiere ich noch einen Schluck. Aber kein Zweifel, ganz nervös schmeckt mein Bier, es kribbelt auf der Zunge, taucht den Gaumen in eine leicht herbe, melancholische Stimmung, die Kälte der Einsamkeit rinnt den Hals hinunter. Eindeutig, sie wartet. Bei einem Rotwein würde man das Warten nicht so deutlich schmecken können. Ein Rotwein ist geschmacklich doch ganz bei sich. Da ich bei Klaus aber Bier trinke, kann ich schmecken wie sie wartet - also bezahle ich.
Ich kenne übrigens niemanden, der nachdrücklicher warten kann als sie. Sie würde mir wahrscheinlich auch in den Rotwein ihr Warten hinein schmecken.
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